Der auffälligste Kontrast zwischen Gross und Klein ist charakteristisch für Viele der neueren Arbeiten von Steff Lüthi. Im Formalen spiegelt sich Existenzielles: Gemessen an der riesigen Welt erscheint der einzelne Mensch winzig. Doch die Relation ist dialektisch verschränkt, was natürlich Eine Brunnenplastik mit ihrem In- und Gegeneinander von Ruhe und Bewegung besonders sinnfällig macht. Letztlich sind es die unterschiedlichen Figuren, die sich fur die Betrachtenden in den Vordergrund drängen, während der Körper, auf oder in dem sie sich Bewegen – eine Urform wie eine kreisförmige oder ovale Schale – , optisch In den Hintergrund rückt.
Dem entspricht die Ambivalenz des Menschenbildes, um das es hier geht. Ihm liegt ein betont kritischer Ansatz zugrunde, das Entsetzen über all Das, was der Einzelne als Aggressor und Zerstörer seinen Mitmenschen Und der ihn umgebenden Natur antut. Doch ein um so stärkeres Gegengewicht ist die Betroffenheit ob den Bildern in den Massenmedien, die als Zeugnisse des Weltgeschehens den Menschen als Opfer zeigen. Betroffenheit ob der grossen Politik wie persönliches Erleben verbinden sich schliesslich zu jenen Geschichten, die diese Figuren uns und einander gegenseitig zu erzählen scheinen. Es sind ausgeprägte Individuen, die in grösserer Anhäufung doch zu einer Masse werden.
Das macht die Auseinandersetzung mit ihnen auch in einem gewissen Sinne Interaktiv: Wie im täglichen Leben sehen wir uns ihnen gegenüber Aufgefordert, durch genaues Hinsehen dem Einzelnen auch innerhalb der Menge gerecht zu werden. Aber bei aller ungeheuren Verschiedenheit sind Wir Menschen doch stets aus dem gleichen Stoff geschaffen. Übertragen auf das Handwerkliche gilt das hier im wörtlichen Sinne. Gerade die Bronze, aus der sie alle gegossen sind, verstärkt als energetisches Material – und Energie war im Schaffen Steff Lüthis immer ein wichtiges Phänomen – die Präsenz dieser Menschlein, welche in ihrer Kleinheit doch Grösse besitzen, in ihrer Nichtigkeit doch den Zug zur Allmacht tragen.
Martin Kraft